Dartoids Welt Nr. 291 - Das Iditarod Open
I am we todd did. I am we todd did!
I am sofa-king we todd did!
(Redensart
der alten Eskimo Darter*)
Iditarod oder"I.Dartoid" --- das ist hier die Frage.
Anagramme haben mich schon immer fasziniert…
Aber als meine Frau herausfand, dass mein Pseudonym im Namen des letzten großen Rennens auf der Welt, des 1150 Meilen langen Hunderennens von Anchorage nach Nome quer durch die gefrorene Wildnis Alaskas, verborgen ist, hat mich das an meinem Verstand zweifeln lassen.
Es gibt Anagramme, die verborgene Wahrheiten enthüllen. Das gleiche gilt auch für die manchmal unheimlichen Weisheiten unserer Alten.
Aber während die oben zitierte, alte Eskimoredensart genau meine Erfahrung vom einundzwanzigsten, jährlich stattfindenden und mit 10.000 Dollar dotierten Dart Turnier widerspiegelt, war und ist das Anagramm eindeutig falsch und wird es auch für immer bleiben. Das schwöre ich (und lege meine Hand dafür ins Feuer).
Nachdem ich in sonnige Gefilde zurückgekehrt war, habe ich mich lang und breit mit meinem Golden Retriever beraten, und wir sind vollkommen einer Meinung. Es ist ausgeschlossen, dass Ihr jemals sehen könnt, wie wir unsere Florida Hintern einer Gruppe von Huskies anschließen, um zwei Wochen lang von mörderischen Elchen in einem Blizzard bei minus 50° über die Gletscher gejagt zu werden. Niemals, absolut niemals wird das passieren.
Ganz sicher aber werde ich, hoffentlich bald, in den hohen weißen Norden zurückkehren, um das erstaunliche Rennen zu verfolgen und in einem weiteren Iditarod Open meine Darts zu werfen. Ich werde aus Respekt vor der Weisheit der alten Eskimo Darter zurückkehren, die es irgendwie vorhersahen, dass ich mich nach einem dutzend Bieren in einem Zustand befinden würde, in dem ich begeistert und nachdrücklich den Oosik an der Wand reiben würde um dann dummerweise die 20 zu schließen, obwohl ich 32 brauchte um in die Runde der letzten 8 im Kricket einzuziehen. Bene belt! Bene belt!
Und bitte fragt jetzt bloß nicht, was ein Oosik ist! Wenn Ihr es unbedingt wissen müsst (und ich warne Euch - Ihr wollt es ganz bestimmt nicht wissen) findet Ihr näheres auf: http://en.wikipedia.org/wiki/Oosik. Aber behauptet dann nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt!
Es wäre untertrieben zu sagen, dass es eine sehr weite Reise war. Ich setze das einmal ins richtige Verhältnis. Die 5900 Meilen von Tampa nach Nome entsprechen ungefähr der Entfernung von London nach Shanghai oder Johannisburg.
Und jetzt werde ich Sie einmal etwas fragen, ja Sie, Sie großer, englischer Darter: Wann haben Sie das letzte Mal einen Flug gebucht um fast 6000 Meilen in Ihrem eigenen Land zurückzulegen, um an einem Dart Turnier teilzunehmen? Das ist schon ein Weilchen her, nicht war, Kumpel? In der Zeit, die ich gebraucht habe, um nach Alaska zu fliegen, könnten Sie quer durch ganz England laufen.
Also Mann, denk daran nächstes Mal, wenn Du uns Amerikaner kritisierst, weil wir nicht so oft am Circuit teilnehmen, wie Ihr Kerls das macht. Gesteht uns, verdammt noch mal, Pausen zu.
Ich blieb für eine Nacht in Anchorage, und es war ein Glück, dass ich nicht länger blieb, weil es mir gelang, meinen Mantel und mein Handy zu verlieren und weil man es ablehnte, mich in einem Etablissement mit dem passenden Namen "Great Alaskan Bush Company" zu bedienen, in das ich gegen meinen Willen gezerrt worden war.
Wenn Ihr über 18 Jahre alt seid und Frauen, die gar nichts anhaben, nicht anstößig findet, hier ein link: http://www.akbushcompany.com/.
Die ursprünglichen Führer bei meinem Anchorage Abenteuer waren Jerry "Big"Cooper, Sean Totzke und Jeff Olson. Olson ist der Leiter der "Region Alaska" der Amerikanischen Dart Organisation (ADO), das heißt er ist ein bekannter und sehr wichtiger Mann, trotzdem gelang es ihm nicht mir einen Schuss-Erlass für das ADO Regional am Freitag (das er gewann) zu besorgen. Ich war also gezwungen, ihn beim Kricket am Sonntag zu schlagen.
Sie nahmen mich in drei Dart-Bars in Anchorage mit: PJ´s, Hideaway und Club Oasis, alle drei sind einen Besuch wert, wenn man in der Gegend ist. Im Oasis traf ich Steve"Dick Wheat" Mangiapane, der für den Rest der Nacht mein Führer war und der seit Jahren der beste Dartspieler in Alska ist. Ich habe keine Ahnung, warum man ihn "Dick Wheat" nennt, aber das spielt wahrscheinlich auch keine Rolle. Ich missverstand seinen Spitznamen und nannte ihn die ganze Nacht "Dickweed". Höchstwahrscheinlich will er mich nie wieder sehen. Er war so freundlich (vielleicht war es aber auch seine Rache) mir ein Exemplar von James Michener´s Roman "Alaska" zu schenken. Sollte ich einmal 2 oder 3 Jahre Zeit haben, werde ich ihn sicher lesen.
Am nächsten Morgen machte ich mich an Bord eines umgebauten Frachtflugzeuges mit Big, Olson, seiner sexy Frau Michele und einigen anderen Leuten, alle in Winterkleidung, die meinem verlorenen Mantel ähnelte, auf den Weg nach Nome.
Von meinem Fenster aus machte ich ein Bild vom Mount McKinley, dem mit 20.320 Fuß höchsten Berg Nordamerikas, und staunte über den Mut und die Körperbeherrschung der Schlittenführer und ihrer Hunde ganz weit unter mir, die sich auf ihrem Weg nach Nome und seinem berühmten hölzernen Bogen auf der Ziellinie des Iditarod, mit den Elementen herumschlugen.
Es gibt noch eine Redensart - und auch diese trifft zu - dass, wenn jemand Zweifel daran hat, dass es in der Hölle frieren kann, dieser noch nie in Nome gewesen sein kann.
In der Nacht vor meiner Ankunft waren tatsächlich minus 50° gemessen worden. Obwohl ich eine Jacke, Handschuhe und einen Hut fand und die ganze Zeit einen Taschenofen bei mir trug, zitterte ich mich durch das ganze Wochenende. Der Turnieraustragungsort - ein Club mit dem Namen "Alaska Native Brotherhood" (ANB) war nicht viel weiter als einen Block vom Hotel entfernt, aber ich habe es kein einziges Mal auch nur in Erwägung gezogen, nicht mit dem Taxi zu fahren.
Nome ist sehr abgelegen. Im Westen schmiegt es sich an die Bering See, es ist rund 30 Flugminuten von Russland entfernt und liegt eine Stunde südlich von Kotzebue und dem Polarkreis. Es gibt 3 Straßen, die in die Stadt hinein und aus der Stadt heraus führen, je eine nach Osten, Norden und Süden und keine der Straßen ist länger als 75 Meilen. Dann hören sie einfach auf.
"Warum ist das so?" fragte ich die ortsansässige Darterin Becky Eckermann. "Wo sollten sie denn hinführen?" war ihre lakonische Antwort. Eckermann, ursprünglich aus Ohio, nun Krankenschwester im örtlichen Krankenhaus, reiste jahrelang mit dem Circuit. Bei Leuten wie Steve Brown und Marilyn Popp werden sicher zahlreiche Erinnerungen wachgerufen, wenn sie ihren Namen hier lesen.
Wenn die Nacht klar ist, was ich leider nicht erleben durfte, kann man die Aurora borealis, oder das Nordlicht, über den riesigen nördlichen Himmel schimmern und tanzen sehen. Es bleibt einem fast nichts anderes übrig als sich vorzustellen, wie es wohl vor Jahrhunderten war, als das Wollmammut durch die Tundra zog.
Irgendwo in der eisigen Ferne suchen Elch, Karibu, Rentier, Moschus Ochse und Grizzley nach Nahrung. Noch weiter entfernt gibt es Eisbären und Bisonherden. Unter dem Packeis im Westen pflügen Wale, Walrosse und Seehunde durchs eisige Wasser.
Es gibt vier Möglichkeiten nach Nome zu kommen, keine davon mit dem Auto. Vom Westen kann man mit dem Schiff anreisen. Aus den anderen Richtungen nimmt man Flugzeug, Schneemobil oder Hundeschlitten. Einige der Dartspieler kamen mit dem Schneemobil aus ihren viele Stunden entfernten Stammesdörfern.
1925, als eine Diphtherie Epidemie das Überleben der Gemeinde Nome bedrohte, waren es Musher und Schlittenhunde, die das Gegenmittel in 5 ½ Tagen über 674 Meilen transportierten, um die kleine Stadt zu retten. An dieses "Serum Rennen" erinnert das heutige Iditarod Rennen und während des Rennens finden zahlreiche Veranstaltungen, wie zum Beispiel das Iditarod Dart Turnier, statt.
Als ich in Anchorage ankam, waren die Musher, über 100 Teams mit je 16 Hunden, schon abgefahren und die schnellsten verließen bereits wieder Finger Lake (Bevölkerung: 2!!) am Rande des Alaska Range. Da der Rennrekord bei knapp 9 Tagen liegt, aufgestellt von Martin Buser 2002, war es durchaus möglich, dass ich eine Chance bekommen würde, den diesjährigen Gewinner mit der jubelnden Menge zu begrüßen.
In Alaska wird Darts anders gespielt, zumindest beim Ititarod Open und mir gefällt es!
Statt die Darter zu Beginn jeder Veranstaltung in Klassen einzuteilen, stellt der Langzeitturnierdirektor Warren Little zunächst Gruppen zusammen, die in einem Round Robin Format die Plätze für die Ziehung der K.o. Runde der letzten 16 ausspielen. So kann es nicht vorkommen, dass jemand, der ein schweres Los zieht, in der ersten oder zweiten Runde gleich schon auf den Barhocker geschickt wird. Für jemanden wie mich, der zweimal hintereinander in einer ersten Runde beim alten North America Open Luis Martinez zog, war es ein besonderes Vergnügen in Nome den Gegenwert für mein Startgeld zu bekommen.
Als die führenden Musher und ihre Teams McGrath (Bevölkerung: 423) am Zusammenfluss von Kuskokwin und Takotna erreichten, trat ich für das gemischte Tripel mit Eckermann und Willie Hoogendorn, einem weiteren einheimischen Spieler, ans Oche. Wir gewannen unsere Gruppe, endeten aber in den letzten 16.
Ich verabredete mich mit Hoogendorns Bruder Steve für die Doppel am nächsten Vormittag, packte zusammen und hüpfte für die 20 Sekunden Fahrt zu meinem Hotel in ein Taxi.
Wie es sich herausstellte, verpasste ich dadurch einen der zwei Höhepunkte des Turniers, einen freundschaftlichen Wrestlingkampf zwischen Jeff Olson und Phil "Phildo" Wheeler, einem Darter aus Juneau, bei dem Wheeler bewusstlos geschlagen wurde.
Wheeler, der mindestens 1 1/2 Persönlichkeiten verkörpert und ein hervorragender Werfer ist (er gewann am Sonntag das Kricket Turnier in einem tollen Spiel gegen Derk Inga aus Anchorage) wäre dem verstorbenen Bucky Bakalac auf beiden Gebieten ebenbürtig gewesen. Je nachdem war er entweder als Flavor Flav verkleidet, drohte ein Halfter aus dehnbarem Band anzulegen oder stopfte einen gepolsterten Oosik dorthin, wo niemals ein Oosik gefunden werden sollte.
Die gute Nachricht war, dass Phildo wenigstens in der knappen Minute oder so, die er bewusstlos war, seinen Mund hielt.
Den 2. Höhepunkt erreichte das Turnier am Sonntag im Doppel 501. Carl "the Mongolian Meat Puppet" Merchant und Jason Eimer spielten gegen Merchants Bruder Bill und Larry Clark - und hatten die sichere Niederlage schon vor Augen. Das zweite Paar warf ein Maximum nach dem anderen, man wartete schon auf eine frühe Siegesfeier. Allen war bewusst, dass die Beiden nur eine Handbreit vom perfekten Spiel entfernt waren. Unglücklicherweise wurde aber nicht nur das perfekte Spiel vergeben sondern auch der Sieg. Trotz des spektakulären Spielbeginns gewannen Meat Puppet und Eimer. Das hielt Bill Merchant aber nicht davon ab, das Scoreboard von der Wand zu reißen um es zur Erinnerung zu behalten.
Während das Turnier am späten Sonntag zu Ende ging und sich zwischen drei oder vier der Hundeschlitten-Teams, nun in der Nähe von White Mountain (Bevölkerung: 203), ein Kampf abzuzeichnen begann, führte ich eine verblüffende Unterhaltung mit Teresa Beckwith, Derk Inga´s besserer Hälfte. Beckwith arbeitet für Federal Express und war vor einigen Jahren eine zeitlang in Hong Kong. Bevor sie nach Übersee ging, versandte sie einige E-Mails und nahm mit jemandem namens Noel Li vom Dart Verband Hong Kong Kontakt auf. Bei ihrer Ankunft überschüttete Noel Li sie mit Gastfreundschaft und führte sie in die Dart Szene ein. Erstaunlich daran ist, dass ich Noel Li kenne, sogar gut kenne. Wir haben auf den Philippinen zusammen Darts geworfen und werden uns wahrscheinlich diesen Juni in Hong Kong treffen. Dass zwei Menschen , die in den USA 6000 Meilen voneinander entfernt und in buchstäblich verschiedenen Welten leben, sich treffen können und herausfinden, dass sie einen gemeinsamen Freund in einer weiteren, tausende weiterer Meilen entfernten Welt haben, ist wieder einmal eine Erinnerung daran, wie klein und freundschaftlich die wundervolle Dart Gemeinschaft wirklich ist.
Man erzählte mir, dass es etwas Neues war, dass jemand von unterhalb des 48.Breitengrades nach Nome gereist kam um Dart zu spielen, lediglich Wade Wilcox hatte schon vor mir an dem einundzwanzig Jahre alten Turnier teilgenommen. Vom Darter Ken Watermann erfuhr ich, dass sich Gerald und Lori Verrier ein oder zweimal nach Anchorage gewagt hatten. Und der gute, alte Steve Mangiapane, der mir Anchorage zeigte, bevor ich mich am Montag auf den Heimflug zurück von Nome machte, nahm mich mit in die Pioneer Bar, in der John Lowe gesehen wurde, wie er das Sisal malträtierte.
Ich nahm am Montag kurz vor Mittag Abschied von Nome und war zur Dinnerzeit am Dienstag zurück im Sonnenscheinstaat. Ich brauchte den Mantel nicht, den ich nicht mehr hatte. Ich meldete sofort mein Handy ab und legte mir ein Neues zu.
Sechs Stunden später und eine halbe Welt entfernt, aber immer noch in diesem beeindruckenden Land, Amerika genannt, säumten Tausende von Fans die Straßen vor dem Nugget Inn in Nome, dem Hotel, das ich gerade erst verlassen hatte.
Als die Sonne langsam über dem glitzernden Packeis unterging, stieg ein Murmeln aus der Menge, da auf dem Weg nach Norden Larry in Sicht kam, der unbeugsame Leithund des 36 Jahre alten, Krebs überlebenden Lance Mackey aus Fairbanks.
Minuten später, um 8.08 abends brach die Menge in donnernden Applaus aus. Neun Tage, fünf Stunden und 1150 Meilen, nachdem sie Anchorage verlassen hatten, fuhren Mackey und sein Team durch den hölzernen Bogen, um den Sieg (in der drittschnellsten Zeit) des 35. letzten großen Rennens der Welt, dem Iditarod, für sich zu beanspruchen.
Zuhause in Florida fühlte es sich einsam und verkehrt an, dass ich das Finale des Ereignisses versäumt hatte, das jeden Augenblick meiner Darts Erfahrungen in Alaska durchdrungen hatte. Ich war tatsächlich 12 000 Meilen gereist und hatte den großartigen Abschluß verpasst.
Eine Woche später läutete es an der Haustür und davor stand ein Mann von Federal Express. In einer kleinen Schachtel, dicht gespickt mit Trockeneis, fand ich eine Auswahl von geräuchertem Lachs, die mir von einem der zahlreichen neuen Freunde, die ich auf meiner Reise gefunden hatte, geschickt worden war, dem Darter Scott Perkins aus Juneau.
Am nächsten Vormittag erwiderte ich seine Geste mit einer Sendung Grapefruit.
Und ich versprach, in den hohen weißen Norden zurückzukehren, vielleicht schon im nächsten Jahr, um wieder bene belt zu werden, vielleicht den Oosik sogar zu küssen, mehr Darts zu werfen und zitternd in der willkommen heißenden Menge zu stehen, um das letzte große Rennen auf der Erde zu feiern.
*Die sinngemäße Übersetzung der Eskimoredensart lautet:
Ich
bin bene belt!
Ich bin bene belt!
Ich bin soto tal bene belt!
Wenn man einigermaßen englisch kann, hilft es auch, den Originaltext laut zu lesen.
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