Montag, 16. April 2018 20:15 - Dart News von dartn.de
Was ist denn da am vergangenen Wochenende passiert? Kann mich mal bitte einer kneifen? Ich glaube ich träume. Oder wurde etwa wirklich am vergangenen Wochenende in Saarbrücken Dartgeschichte geschrieben? Zum ersten Mal seit Beginn der Zeitrechnung konnte ein Deutscher, nämlich Max Hopp, mit seinem Sieg bei den German Darts Open einen PDC Titel für sich gewinnen. Viele Skeptiker waren davon ausgegangen, dass es bis zu einem solchen Titel noch einige Jahre Aufbauarbeit benötigen würde und ehrlich muss auch ich gestehen, dass ich mich zu diesen gezählt habe. Und es wäre auch gar nicht so schlimm, sondern viel eher noch „normal“ gewesen, wenn ein Titel wie dieser erst in ein paar Jahren „gefallen“ wäre. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Deutschland im Gegensatz zu den ganzen „etablierten“ Dartnationen wie England, Schottland, Wales, Irland, Australien und natürlich den Niederlanden noch sehr viel nachzuholen haben. In den Niederlanden haben Spieler wie Michael van Gerwen und Jelle Klaasen als Kinder angefangen Dart zu spielen, weil ein Postbote namens Raymond van Barneveld 1998 völlig überraschend und aus dem Nichts heraus Dart-Weltmeister wurde! Zu diesem Zeitpunkt war ein MvG gerade einmal 9 Jahre alt, Benito van de Pas war fast 6 und Jelle Klaasen war gerade 15 Jahre alt. Sowieso wundern sich die Experten aus diesen Ländern über das Phänomen Dartsport in Deutschland, denn hierzulande boomen die Zuschauerzahlen bereits auf Rekord Niveau, obwohl wir bisher keinen wirklichen Top-Spieler besessen haben. Wir hinken also was den Nachwuchs angeht locker 10 Jahre einer Dart-Nation wie den Niederlanden hinterher.
Aber die „jungen wilden“ deutschen Nachwuchsspieler, allen voran Max Hopp, aber natürlich auch Spieler wie Martin Schindler, Gabriel Clemens, René Eidams und Nico Blum (um als Beispiel nur mal einige zu nennen) zeigen uns in letzter Zeit, dass wir in Deutschland auf einem wirklich guten Weg sind. Aber beim Dartsport muss man in wesentlich längeren Zeiträumen denken, denn die Spieler brauchen genügend Zeit zu wachsen und müssen ihre eigenen Erfahrungen machen, bevor sie mental dazu in der Lage sind, derartige Leistungen über ein ganzes Turnier am Stück abzurufen. Man sagt nicht umsonst, dass Dart eine Sportart ist, für welche wie für keine andere Sportart das folgenden Motto gilt: „Easy to learn, hard to master!“
Aber nehmen wir erst einmal die Fakten: Max Hopp hat nun 3 Jahre nach seinem Jugend WM Titel als erster Deutscher einen ersten Senioren Titel bei der PDC gewinnen können. Und er konnte dabei nicht einen vermeintlich"leichten" Weg gehen – Nein, er hatte sogar einen sehr steinigen Weg zu seinem ersten Titel zu bewältigen. Zuerst traf er auf Zoran Lerchbacher (auch bereits ein Pro Tour Finalist), den er mit 6:1 bezwingen konnte. Dann die Nr. 2 der Weltrangliste Peter Wright, der sich ihm mit 4:6 geschlagen geben musste. Anschließend bezwang er Benito van de Pas (Nr. 16 der OoM und mehrfacher Pro Tour Sieger) in seinem schlechtesten Spiel des Turniers mit 6:4, bevor er sich ebenfalls mit 6:4 gegen Joe Cullen (Nr. 19 & Doppel Pro Tour Sieger) durchsetzen konnte. Im Halbfinale folgte dann der amtierende Weltmeister und dir Nr. 3 der Weltrangliste Rob Cross, den er scheinbar ohne Nerven mit 7:6 und einem 121er Bull Finish in einem Entscheidungsleg bezwingen konnte, bevor er genau dieses Kunststück im Finale nach 0:3 Rückstand gegen die aktuelle Nr. 2 der Premier League Tabelle und Nr. 9 der Weltrangliste Michael Smith wiederholen konnte. Dazu kommt die Tatsache, dass er am Donnerstagabend erst noch durch die nationale Qualifikation musste und gar nicht wusste, ob er überhaupt an diesem Turnier teilnehmen würde.
Bei früheren Turnieren konnte Max auch bereits sehr gute Leistungen in der ersten Runde abrufen, meist folgte dann jedoch spätestens in der zweiten oder dritten Runde ein Einbruch. Und an genau dieser Stelle sah man am Wochenende sehr gut, wie Max als Spieler gereift ist. So ein (entschuldigt bitte den Ausdruck) „Gurkenspiel“ wie das Match gegen Benito van de Pas hätte er früher vermutlich verloren – aber jeder Dartspieler weiß, dass es gerade diese Spiele sind, welche man gewinnen muss um am Ende wirklich zählbaren Erfolg zu haben. Am Abend ist ein Sieg immer noch ein Sieg und bereits im nächsten Spiel kräht kein Hahn mehr danach, wie man in der nächsten Runde gelandet ist. Max geht inzwischen solch ein Turnier wesentlich ruhiger und gelassener an als früher und denkt nur noch von Match zu Match.
Was musste sich Max im letzten Jahr nicht alles an Kritik gefallen lassen? Er wäre zu schlecht, würde sowieso keine Chance mehr haben, würde sich mehr um Social Media als ums Training kümmern und außerdem wäre inzwischen nicht mehr er die deutsche Nummer 1, sondern Martin Schindler oder „Gaga“ wurden bereits als Nachfolger für diese Position gehandelt. Aber Max ließ sich davon nicht beirren und ging weiter seinen Weg. Er schuf sich ein Umfeld, in dem er glücklich ist und trainierte eisern weiter und fing durch zuletzt gute Leistungen an immer mehr Selbstvertrauen zu tanken. Selbstvertrauen ist neben Erfahrung die wertvollste Währung für einen Dartspieler. Und Erfahrung hat Max inzwischen genügend angesammelt, denn trotz seiner erst sehr jungen 21 Jahren an Lebensalter darf man nicht vergessen, dass er inzwischen der erfahrenste deutschen PDC Bühnenspieler ist. Er hat bereits 5 Mal an der PDC Weltmeisterschaft teilgenommen (so oft wie kein anderer Spieler in diesem Alter).
Ohnehin, lassen wir uns doch einmal einen Blick darauf werfen, was dieser Sieg für Max Hopp und seine Karriere bedeutet und wieso man mit Fug und Recht von einem lebensverändernden Erfolg reden kann und darf:
Als sich Max am Donnerstag in Richtung Saarbrücken aufmachte, war er die aktuelle Nr. 48 der PDC Order of Merit. Er hatte zwar die gute Form und damit das Selbstvertrauen der letzten drei Turniere im Gepäck (2x Viertelfinale und 1x Achtelfinale), aber letztendlich hätte bereits im ersten Spiel in der Qualifikation bei seinem knappen 6-5 gegen Bernd Roith Schluss sein können. Er war zu diesem Zeitpunkt für kein einziges Major Turnier sicher qualifiziert und auch die WM Qualifikation wäre noch ein sehr großes Stück Arbeit gewesen.
Keine 80 Stunden später war Max Hopp der erste deutsche PDC Turniersieger der Geschichte, ist die aktuelle Nr. 40 der Order of Merit und dank dieses Sieges (und des damit einhergehenden Preisgeldes in Höhe von £25.000) darf er nun bereits fix anfangen für eine ganze Reihe an Major TV Turniere die Reisen zu planen. Denn nach dem aktuellen Stand der Dinge steht er durch seinen Sieg auf Platz 1 der Qualifikations-Rangliste, um sich über die Pro Tour Order of Merit für das World Matchplay, den World Grand Prix und auch am Ende des Jahres auch zum 6. Mal für die PDC Dart WM zu qualifizieren. Er ist auch sicher für die European Championship in Dortmund im Oktober qualifiziert und belegt die erste Nachrücker Position für einen Platz beim Grand Slam of Darts im November.
Alleine durch das Antrittsgeld für diese Events wird sich seine Weltranglistenposition im Laufe des Jahres sicherlich noch verbessern – außerdem dürfte er durch mehr TV Auftritte auch einiges mehr ans Sponsorengeldern bei den kommenden Verhandlungen einfordern können. Und dieses macht einem das Leben als Dartprofi mit den doch recht hohen Reise- & Hotelkosten um einiges leichter.
Und wenn wir schon vom Wochenende reden, dann sollten wir auf keinen Fall die Leistung von Michael Unterbuchner bei den Bull’s Darts Masters in Kalkar unter den Tisch kehren. Denn zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit stand mit dem Münchener wieder einmal ein Deutscher im Finale eines BDO/WDF Weltranglisten Turniers. Sowieso mischt Unterbuchner spätestens seit seinem Halbfinale bei der BDO Dart WM 2018 Anfang des Jahres die BDO Tour ähnlich auf wie der „Maximiser“ aktuell die PDC Tour.
Aber sollten wir trotz der mehr als beachtlichen Erfolge des Wochenendes jetzt davon ausgehen, dass es ab jetzt immer so weitergeht? Ich denke das wäre ein großer Fehler. Die Erfolge des Wochenendes sind ein erster, wenn auch sehr großer Schritt. Sie eröffnen den Spielern Möglichkeiten, welche sie vorher nicht hatten und färben sicherlich auch positiven auf die anderen deutschen Dartspieler ab: Denn wenn es erst einmal einer von „unseren“ Jungs geschafft hat einen Titel zu holen, warum sollte es dann nicht eines Tages auch ein anderer schaffen? Es gab schließlich auch unzählige niederländische Dartprofis nach Raymond van Barneveld, welche ebenfalls Major TV Turniere gewonnen haben! Und vor allem werden die Erfolge das Selbstvertrauen der beiden betroffenen Spieler massiv stärken.
Von daher sehe ich sehr positiv in die Zukunft für Dart Deutschland, Baustein für Baustein werden wir weiter daran arbeiten eines Tages auch eine der großen Dart-Nationen zu werden. Die dafür notwendigen Zuschauermassen besitzen wir in Deutschland ja schon lange…
Euer Patrick „Echse“ Exner
Foto-Credits: Kelly Deckers / PDC Europe
[pe]
**Quelle: dartn.de
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