Dienstag, 26. Dezember 2017 18:04 - Dart News von dartn.de
Während unserer Berichterstattung bei der PDC Dart Weltmeisterschaft 2018 im Alexandra Palace in London haben wir die englische Kommentatoren-Legende John Gwynne getroffen und ein ausführliches und sehr interessantes Interview mit ihm gedreht. Im Interview spricht John Gwynne über den Dartsport, über seine Karriere, seine Highlights und er erzählt uns, was aus seiner Sicht einen guten Kommentator ausmacht.
Natürlich haben wir das Interview für euch auch auf Deutsch übersetzt:
Dartn.de: Wie ist es, jedes Jahr hier in den Alexandra Palace zurück zu kommen und während der WM ein paar Matches für Sky Sports zu kommentieren?
Gwynne: Es ist sehr schön, auch wenn ich eigentlich aufgehört habe. 2013 habe ich beim World Matchplay das letzte richtige Turnier kommentiert. Ich habe Taylors Doppel 20 kommentiert, als er Adrian Lewis dort geschlagen hat. Das hat 20 World Matchplays komplettiert. Genau so waren es 20 Weltmeisterschaften, denn ich habe bereits die erste 1994 in der Circus Tavern kommentiert. So ging eine sehr schöne Karriere zu Ende. Aufgrund der Vertrautheit läd mich Sky von Zeit zu Zeit trotzdem noch ein, besonders bei der Weltmeisterschaft, um einen Tag oder ein paar Tage zu kommentieren. Ich möchte das auf keinen Fall ablehnen, denn ich freue mich, zurückzukommen und ich freue mich über die Tage, die ich hier habe. Ich habe einen Tag beim World Matchplay kommentiert, genau so einen Abend bei der Premier League letzten Mai. Es ist schön, wenn die Leute möchten, dass ich hin und wieder zurückkomme und auch die Öffentlichkeit Spaß daran hat.
Dartn.de: Also wird es einen zweiten Tag bei der diesjährigen WM für dich geben?
Gwynne: Ja richtig. Ich mache ein Spiel am heutigen Nachmittag (18. Dezember), eines am Abend und dann morgen Abend noch eines, bevor ich mich wieder auf den Weg nach Manchester mache.
Dartn.de: Gibt es ein Match in deiner langen Karriere, dass du als das Beste bezeichnen würdest? Du hast das WM-Finale zwischen Phil Taylor und Raymond van Barneveld 2007 kommentiert. Ist das genau dieses Spiel?
Gwynne: Das war sicher das unglaublichste Match. Barney war 0:3 hinten und hat nicht wirklich gut gespielt. Die Art und Weise, wie er zurückgekommen ist und wie das Spiel über die komplette Distanz ging mit einem 5:5 im Entscheidungssatz und dann dem Sudden Death, es geht nicht besser. Das Ganze ist drei Jahre zuvor schon einmal zwischen Phil Taylor und Kevin Painter passiert, aber dieses Finale war viel dramatischer. Die Art und Weise, wie sich Barney zurückgekämpft hat. Das waren die beiden besten Spieler der Welt, Barney kam gerade von der BDO, er hat 2006 mehrfach gegen Taylor gespielt und das waren ebenfalls schon fantastische Spiele. Aber dieses eine war das größte, es war das WM-Finale, es hat beiden so viel bedeutet. Es war das, was sie im Hockey „Face-Off“ nennen. Es war das wichtigste Spiel, dass beide bis zu diesem Zeitpunkt gespielt hatten. Da sind aber noch andere Partien, die herausstechen, es gibt viele davon. Wir erinnern uns vor allem an Finals. Ich erinnere mich aber auch an das Spiel beim World Matchplay in Blackpool, wo Andy Hamilton 7:15 zurücklag gegen Simon Whitlock. Ich erinnere mich daran, gesagt zu haben: „Alles, was Hamilton tun kann ist, Leg für Leg zu spielen, es in die nächste Pause zu schaffen und einfach von Leg zu Leg zu schauen.“ Und er kam langsam zurück und selbst als es 11:15, 12:15 oder 13:15 stand dachte man, Whitlock würde bald das benötigte letzte Leg gewinnen. Whitlock begann aber, sehr nervös zu werden, er hat Chancen verpasst und Hamilton wusste, dass er ihn hat. Am Ende hat er gewonnen. Das andere Match, das hervorsticht ist ein Halbfinale. Und zwar zwischen Michael van Gerwen und ich glaube es war James Wade. Stuart Pyke hat mit mir kommentiert und hat den ersten 9-Darter von van Gerwen beschrieben, also die letzten drei Darts. Also war ich beim zweiten Versuch dran. Hätte er den auch noch gemacht, wäre dieses Match bei mir ganz vorne. Zwei 9-Darter in Folge zu werfen, das ist fast dasselbe, wie zwei Mal ein „Hole in One“ nacheinander im Golf, zwei 147er-Breaks im Snooker.
Dartn.de: Was denkst du braucht es, um ein guter Dart-Kommentator zu werden?
Gwynne: Erst einmal denke ich, dass es hilft, wenn Jemand selbst voll in diesem Spiel involviert ist. So geht es zum Beispiel mir. Ich habe selbst Dart gespielt, ich spiele jetzt nicht mehr, denn ich bin 72 und nehme an keinen Wettbewerben mehr teil. Ich habe für viele Jahre in lokalen Ligen Dart gespielt, war auch in der Super League im Einsatz. Ich war nicht wirklich gut genug, um County-Level zu spielen, ich war noch nicht einmal in der Nähe davon. Ich bin allerdings zu einem Master of Ceremonies geworden, ich war Schiedsrichter bei County-Matches und auch bei Exhibitions im Einsatz. Ich war außerdem ein Dart-Journalist und habe für Magazine geschrieben sowie an Übertragungen jeglicher Art teilgenommen. Ich denke es ist wichtig, so involviert zu sein. Es klingt vielleicht so, als würde ich die Leute kritisieren, bei denen das nicht der Fall ist. Das sind Menschen, die sehr gute Kommentatoren sind, aber keine eigene Geschichte im Dartsport haben. Ich denke, dass man ein besserer Kommentator ist, wenn man eben diese Geschichte hat. Ich erinnere mich daran, dass Sid Vadell, ein großartiger Kollege, mit dem ich 17 Jahre gemeinsam kommentiert habe, zu mir gesagt hat: „John, wir sind im Unterhaltungsgeschäft. Wenn die Darts perfekt fliegen, sind die Spieler diejenigen, die unterhalten. Wenn das nicht der Fall ist, dann müssen wir hart arbeiten, wenn wir versuchen, das Spiel am Leben zu erhalten, dafür sorgen, dass die Zuschauer interessiert bleiben.“ Ich habe viel in dieser Richtung gelernt. Ein Bisschen Humor einfließen lassen, es nicht dabei zu übertreiben und dazu das Wissen, das man hat. Sich von der Spannung eines Spiels mitreißen zu lassen, wobei es nicht immer um Spannung und aufregung geht. Es gibt momente, wo man einfach deutlich ruhiger wird, das Ganze still laufen lässt, um es dann wieder ansteigen zu lassen. So wirst du Teil dieses Chreschendos des Dartspiels, wenn es ein bestimmtes Niveau erreicht.
Dartn.de: Ich erinnere mich daran, dass du recht kreativ warst, als Michael Rosenauer bei der Weltmeisterschaft 2008 gespielt hat. Da hast du einfach gesagt: „Wir hatten Adenauer, wir hatten Beckenbauer und jetzt haben wir Herrn Rosenauer. Also braucht es auch diese Art von kreativen Momenten?
Gwynne: Es ist wichtig zu wissen, was in der Welt da draußen vor sich geht. Wir sind nicht völlig abgeschottet in dieser Arena. Ob es der Alexandra Palace ist, oder ob wir an einem Spielort in Berlin sind, wo sie die Premier League spielen werden. Oder ob wir in Australien sind, oder in den USA, oder Japan. Die Welt da draußen existiert weiter. Ich mag es, solche Verbindungen herzustellen. Sid und ich haben Zusammenhänge zu den drei Musketieren hergestellt. Sid hat gesagt: „Der schlimme Portus“ und ich habe gesagt, dass es Aramis ist, den wir nicht sehen wollen, das die Spieler keinen Aramis mögen. Dinge wie diese gehören dazu.
Dartn.de: Ich möchte jetzt mit dir über das vergangene Jahr bei der PDC sprechen. Wer ist für dich der am meisten verbesserte Spieler, oder vielleicht gibt es ja mehr als einen? Viele reden natürlich über Rob Cross, aber was denkst du? Ich glaube, dass du ebenfalls weiterhin auf die Szene schaust und viele Spieler recht gut kennst.
Gwynne: Um ehrlich zu sein verfolge ich es nicht so intensiv, wie du vielleicht denkst. Ich bin ein sehr großer Sport-Entusiast und da geht es bei weitem nicht nur um Dart. In meiner Übertragungs-Karriere habe ich viel Fußball kommentiert und tue das noch immer. Die deutschen Zuhörer werden damit vielleicht nicht viel anfangen können, aber ich bin auch ein großer Cricket-Fan und habe diesen Sport über einige Jahre auch kommentiert. Genau so Rugby, wobei ich sowohl Rugby Union und die Rugby League begleitet habe. Auch Pferderennen, die ich liebe, wo ich aber nicht kommentiere. Ich habe also viele andere Interessen und verfolge Dart nicht so sehr, wie ich es getan habe, als ich noch mehr involviert war. Rob Cross ist sicher ein Spieler, den man nicht außer Acht lassen kann. Er ist definitiv einer der am meisten verbesserten Spieler und da sind auch noch weitere. Die Sache ist, wenn du so lange dabei bist, bekommst du eher die Spieler mit, die auf dem Weg abwärts sind und mal ganz oben waren. Eher weniger diejenigen, bei denen das Gegenteil der Fall ist. Ich habe den Aufstieg und den Fall von Wes Newton gesehen, genau so von Menschen, bei denen es deutlich weiter zurückliegt. Peter Manley, Shayne Burgess, Mark Dudbridge ist ein weiterer.
Dartn.de: Colin Lloyd ist ein weiterer aus dieser Kategorie. Er möchte es wieder bei der Qualifying-School versuchen. Was traust du ihm zu?
Gwynne: Ich wünsche ihm das aller Beste. Colin kann es schaffen, aber er wird es nicht mehr schaffen, dorthin zurückzukehren, wo er einmal war. Wenn er denkt, dass er das kann, dann viel Glück ihm. Ich denke, dass das eine unrealistische Ambition wäre. Ich mag Colin sehr und denke, er war ein sehr guter Spieler, hat das World Matchplay und den World Grand Prix gewonnen. Er war außerdem die Nummer Eins der Welt, aber er verlangt jetzt viel von sich selbst.
Dartn.de: Es ändern sich viele Dinge in der Welt des Dartsports. Es gibt mehr Preisgelder, die Startgelder für Turniere werden im nächsten Jahr wegfallen. Denkst du, dass alles gut ist, was da passiert, oder gibt es da auch Dinge, wo du sagst, dass es genug ist und da nicht noch mehr kommen sollte?
Gwynne: Erst einmal möchte ich sagen, dass ich es mag, wie die PDC so sehr gewachsen ist und zu einer so großen Organisation geworden ist. Ich freue mich zu sehen, dass jetzt etwas an die Spieler zurückgezahlt wird. Das ist absolut fantastisch und das unterstütze ich auch vollkommen. Wo ich so meine Zweifel habe und das ist keine Kritik: Ich denke, dass es die Gefahr gibt, dass wir zu viel Dart haben, das zu viel von den Spielern erwartet wird. Es gibt die Players Championships, die European Tour, die World Series, wobei alles auf einmal nur für acht bis zehn Spieler gilt. Dann gibt es noch die Premier League und die großen Turniere. Und die andere Sache ist vielleicht überraschend, wenn sie von einem TV-Kommentator kommt. Ich glaube, dass wir die Gefahr haben, dass einen Art Overkill von Dartübertragungen im TV gibt. Zu viele TV-Turniere.
Dartn.de: Diese Aussage überrascht uns nicht. In Deutschland hatten wir elf Turniere in diesem Jahr, im November kam noch ein Event der World Series in Düsseldorf dazu. Die Leute wissen oft nicht, worum es in dem jeweiligen Turnier geht. Es ist ein zu überfüllter Kalender und es gibt ebenso Spieler wie Raymond van Barneveld, die nicht viele Ranglistenturniere spielen, weil sie zu so vielen anderen Turnieren eingeladen sind. Wenn Barney alles spielen würde, wäre er womöglich unter den Top vier.
Gwynne: Wir nennen das Overkill und es ist eine Gefahr, dass wir das bekommen, wenn wir es nicht schon haben. Es ist mit Snooker in den 80ern und 90ern passiert. Der Enthusiasmus für den Sport hat dann deutlich nachgelassen. Ich würde es hassen, wenn das mit Dart passieren würde. Ich denke, dass das Produckt so attraktiv ist und so unterhaltsam, dass es nicht dazu kommt. Aber wir müssen uns dieser Problematik bewusst sein, dass es manchmal einfach mal genug ist. Die Sache mit dem Preisgeld ist natürlich großartig und bestärkt junge Leute, es zu versuchen.
Dartn.de: Unterstützt du immer noch junge Spieler? Ich meine, du hättest das in der Vergangenheit getan, bin mir aber nicht sicher.
Gwynne: Ich habe einen jungen Mann aus Manchester unterstützt, gesponsert. Shaun Griffiths war das. Er war sehr bekannt in BDO-Kreisen, sowohl britischer Meister, als auch Europameister. Er hat auch in der Lakeside Weltmeisterschaft 2011 gespielt und ich war sein Sponsor für sechs Jahre. Am Ende gibt es allerdings ein Limit, was jemand erreichen kann. Es war hart verdientes Geld, mit dem ich ihn unterstützt habe. Ich habe kein schlechtes Gefühl deswegen, denn ich habe als er 18 oder 19 war ehrlich daran geglaubt, dass er ein großer Star werden würde. Er versucht es weiterhin, ich denke, dass er die Q-School besuchen wird. Er schätzt das, was ich für ihn getan habe und er versteht, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Wir sind nicht im Streit auseinander gegangen, sind weiterhin im Kontakt. Ich habe ihm bei Turnieren meine besten Wünsche geschickt, ich habe ihn in Wigan gesehen, als ich mir die Qualifikation für den Grand Slam angeschaut habe. Ich unterstütze also momentan keinen Spieler mehr, was aber nicht heißt, dass ich es nicht mehr tun würde. Wenn ich spüren würde, dass es jemand benötigt und dass da ein vielversprechendes Talent ist, würde ich es wieder tun.
Dartn.de: In der letzten Frage noch einmal zurück zu dir selbst. Du hast gesagt, dass du immer noch kommentierst und inzwischen 72 Jahre alt bist. Wie lange wirst du das noch machen, verschiedene Sportübertragungen begleiten?
Gwynne: Eines von zwei Dingen kann passieren. Ich könnte eines Morgens aufwachen und sagen, dass ich das alles nicht mehr machen möchte. Dass ich zu Hause bleiben möchte und nicht immer wieder irgendwo mit dem Auto hinfahren möchte. Die andere Sache, die passieren kann ist, dass die Leute, die mich für Dart und Fußball verpflichten sagen, dass es ihnen Leid tut, aber dass die Zeit gekommen ist, sich zu bedanken und es gut sein zu lassen. Man muss sich zumindest klar sein, dass so etwas passieren kann. Es sieht aber nicht danach aus, als ob eine dieser Szenarien in den nächsten zwei bis drei Jahren Wirklichkeit werden würde. Ich denke, dass ich mit 75 immer noch arbeiten werde, vielleicht auch noch mit 80, wenn ich gut genug fühle. Ich würde es tun, mit großer Freude.
Weiter geht es mit der Weltmeisterschaft am Mittwoch den 27.12 mit den letzten vier Spielen der zweiten Runde sowie den ersten beiden Achtelfinalpaarungen. Am Donnerstag stehen dann die restlichen 6 Achtelfinalspiele auf dem Spielplan.
Mi. 27.12.2017 - 13.30 Uhr: (Nachmittag)
Simon Whitlock - Darren Webster
Alan Norris - James Richardson
Kevin Münch - Antonio Alcinas
Mi. 27.12.2017 - 20 Uhr: (Abend)
Peter Wright - Jamie Lewis (2.Runde)
Vincent van der Voort - Raymond van Barneveld
Michael van Gerwen - Gerwyn Price
Do. 28.12.2017 - 13.30 Uhr: (Nachmittag)
Münch/Alcinas - Whitlock/Webster
Mensur Suljovic - Dimitri van den Bergh
John Henderson - Rob Cross
Do. 28.12.2017 - 20 Uhr: (Abend)
Wright/Lewis - Norris/Richardson
Phil Taylor - Keegan Brown
Gary Anderson - Steve West
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Quelle: dartn.de
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