World Matchplay-Nachlese: Gebt mir mehr davon!

Mittwoch, 31. Juli 2019 13:35 - Dart News von dartn.de

World Matchplay 2019 - Nachlese

Das World Matchplay 2019 ist beendet, neun spannende und spektakuläre Tage liegen hinter uns. Am Ende gewinnt zwar mit Rob Cross einer der Favoriten, aber dennoch war das Turnier in sich absolut unberechenbar. Für dartn.de Redakteur Kevin Barth wechselte der Favorit auf den Titel gefühlt stündlich und auch für die kommenden Monate fällt es ihm schwer, wirklich sinnvolle Prognosen zu stellen. In seinen Augen ist das genau richtig und diese Entwicklung soll bloß nicht aufhören. Er kommentiert das aktuelle Geschehen und blickt zurück auf das Sommer-Highlight des Dartsports.

Der Reiz des Unvorhersehbaren

Ja, es war auf eine gewisse Art und Weise beeindruckend und magisch, als Phil Taylor über Jahre dominiert hat und fast jeden Titel abstauben konnte. Auch als Michael van Gerwen diese Rolle ab etwa 2013 übernahm, hatte ich Hochachtung vor einer derartigen Weltklasse und Konstanz. Wenn ich es mir aussuchen kann, bin ich allerdings mehr ein Freund der Unvorhersehbarkeit. Wenn ein Turnier mal nicht so abläuft, wie es von den meisten erwartet wird. Am besten sollte das immer so sein. Genau so eine Situation ist seit Anfang 2018 eingetreten und hat sich mit dem World Matchplay fortgesetzt. Van Gerwen konnte nur zwei der letzten zehn TV-Ranglistenturniere gewinnen, die Weltspitze wird immer breiter und der perfekte Dominator ist nicht mehr wirklich vorhanden. Aus Sicht des Dart-Fans ist das eine Wohltat, weil so jedes Major zu etwas Besonderem wird.

Der verdiente Champion, oder doch nicht?

Natürlich ist derjenige, der ein solches Turnier wie das World Matchplay gewinnt ein würdiger Sieger. Rob Cross hat in diesem Jahr erkennen lassen, dass er auf dem Weg zurück zu der Form ist, die ihn 2018 den WM-Pokal in die Höhe recken ließ. Drei gute bis sehr gute Leistungen brachten "Voltage" bis ins Halbfinale, wo der Motor erstmals ins Stottern geriet. Am Ende kämpfte er sich gegen Daryl Gurney zwar stark zurück, aber es war auch Glück und Unvermögen des Gegners dabei. Im Finale profitierte er zunächst davon, dass Michael Smith so gar nicht stattfand. Am Schluss geriet Cross jedoch arg ins Straucheln und rettete sich irgendwie doch noch ins Ziel. Gerade in den entscheidenden Spielen nutzte er die Chancen, die andere liegen ließen. Das ist eine Qualität, aber das wird nicht ausreichen, um für den Rest des Jahres eine Titelserie zu starten. Cross ist der würdige Sieger, aber er ist verwundbar und muss sich steigern, um in der Spur zu bleiben.

Smith, der ewige zweite?

Drittes Major-Finale, dritte Niederlage: Michael Smith bleibt für den Moment der Unvollendete. Besonders auffällig bei diesem Turnier war die Tatsache, dass sich äußerst brillante Phasen mit dem kompletten Gegenteil abwechselten. Negativer Höhepunkt war das Finale, in dem er letztendlich zu spät aufwachte. Die Checkouts bleiben in den schlechteren Momenten eine Schwäche des "Bully Boy". Ich gehe nicht davon aus, dass er ewig ohne großen Titel bleiben wird, denn dafür hat er im Vergleich zu Spielern wie Mervyn King und Terry Jenkins noch mehr Qualität und Talent. Die entscheidende Frage ist nun: Braucht er nach dieser Niederlage erneut ein halbes Jahr, um wieder halbwegs zu seinem Spiel zu finden? Falls ja, wäre er für die nächsten fünf Majors kein Thema für die Siegerlisten. Ich glaube, dass Smith an diesen verlorenen Finals wachsen wird, aber er bleibt unberechenbar und kann auch leicht wieder in alte Muster zurückfallen.

Das fast perfekte Durrant-Märchen und Gurney im Windschatten

Dank der jüngsten Erfolge dürften die Kritiker von Glen Durrant irgendwo schweigend in einer Ecke sitzen. In den Tagen von Blackpool hat "Duzza" seine Qualität absolut unter Beweis gestellt. Es ist nicht selbstverständlich, über Adrian Lewis hinwegzufegen und Michael van Gerwen zu schlagen, nachdem der in der zweiten Hälfte der Partie noch einmal ordentlich zulegte. Danach war der Tank aber ein bisschen leer bei Durrant. Einen enttäuschenden James Wade konnte er so noch bezwingen, aber Michael Smith war eine Nummer zu groß. Verbesserungspotential ist also schon noch vorhanden. Nachdem die Eindrücke einer intensiven Matchplay-Woche verarbeitet sind, traue ich dem dreifachen BDO-Weltmeister aber durchaus zu, die richtigen Schlüsse zu ziehen und an diesen Triumph anzuknüpfen. Glen Durrant sollte man auch bei den kommenden Turnieren auf dem Zettel haben.

Irgendwie hatte man Daryl Gurney zu Beginn des Turniers nicht so richtig auf dem Radar. Er gewann seine ersten beiden Spiele, ohne dabei brutal auf sich aufmerksam zu machen. Das änderte sich im Duell mit Peter Wright, wo der Nordire mit fantastischem Timing überzeugte und seinen Kontrahenten trotz 105er Averages nach Hause schickte. Mindestens ein Schritt mehr wäre dann auch noch möglich gewesen, aber Gurney konnte einen 15:9-Vorsprung gegen Rob Cross nicht in einen Sieg ummünzen. Die Chancen waren da, aber sie blieben unverwertet. Eine Niederlage, die sicher weh tut und die "Superchin" noch länger beschäftigen kann. Der World Grand Prix, bei dem er Publikumsliebling ist und dessen Format ihm liegt, dürfte Anfang Oktober wohl zur richtigen Zeit kommen.

Positive Signale für Hopp

World Matchplay 2019 - Nachlese - Max Hopp

Bei seiner zweiten Teilnahme am zweitwichtigsten Turnier des Jahres schaffte es Max Hopp erstmals, ein Spiel auf der Bühne in Blackpool zu gewinnen. Im Vergleich zum Vorjahr zeigte sich Deutschlands Nummer Eins verbessert, bewies Kämpferqualitäten und Nervenstärke. So konnte der teilweise überragend aufspielende Dave Chisnall in der Verlängerung ausgeschaltet werden. Das alles auch ohne Unterstützung von heimischen Fans. Gegen Michael Smith hätte auch noch der Sprung ins Viertelfinale gelingen können, hier fehlte letztendlich nicht viel. Für Hopp sollten diese Erfahrungen weiter Auftrieb geben. Er kann es inzwischen mit der Weltspitze aufnehmen und ein guter Run in einem der kommenden großen Events wäre nicht überraschend.

Van Gerwen anfällig wie selten

Nach seiner zuletzt ungewohnt lange anhaltenden Schwächephase rechnete der ein oder andere mit einer Reaktion von Michael van Gerwen. Schließlich lassen gerade die Major-Turniere den 30-jährigen oft so richtig in Fahrt kommen. Am Ende muss man festhalten, dass nichts dergleichen geschah. Gegen Steve Beaton hatte er Glück, dass der Kontrahent fast noch mehr Geschenke verteilte und selbst nie wirklich ins Rollen kam. Glen Durrant bestrafte eine Runde später die weiterhin vorhandenen Defizite in Scoring und Finishing. Nach dem 5:8 Rückstand zeigte van Gerwen deutlich mehr von seiner Klasse, konnte die Partie aber nicht mehr drehen. Eine ähnliche Negativserie hat es wohl zuletzt 2011 beim Branchenprimus gegeben. Abschreiben sollte man van Gerwen auf keinen Fall. Er wird alles daran setzen, wieder zurückzuschlagen und es ist ihm auch absolut zuzutrauen. Andererseits leidet natürlich auch das Selbstvertrauen, wenn es längere Zeit nicht so läuft, wie gewohnt. Der Konkurrenz ist wohl zu empfehlen, noch härter zu trainieren und zumindest darauf gefasst zu sein, dass MvG jederzeit wieder aufdrehen kann.

World Matchplay 2019 - Nachlese - Michael van Gerwen

Die Enttäuschungen: Von Anderson bis White

Neben dem frühen Ausscheiden von Michael van Gerwen sind noch weitere sieben Namen aufgefallen, die man deutlich weiter vorne vermutet hätte. Allen voran Gary Anderson, der sich Mervyn King beugen musste. Beim "Flying Scotsman" scheinen die Gesundheit und möglicherweise zu wenig Matchpraxis das größte Problem zu sein. Es steht für mich außer Frage, dass er in diesem Jahr noch positive Schlagzeilen schreiben wird. Nach einem bislang starken 2019 stand auch James Wade bei den Buchmachern hoch im Kurs, doch er enttäuschte. Schon in Runde Eins und Zwei hatte "The Machine" Glück, nicht auszuscheiden. Eine ziemlich schwache Vorstellung gegen Glen Durrant besiegelte dann das Aus im Viertelfinale. Man kann gespannt sein, ob er im Herbst mehr aus seinem Potential machen kann.

Zu wenig kam auch von Gerwyn Price, der dafür direkt im Auftaktmatch von Stephen Bunting die Quittung erhielt. Beim Waliser ist es schwierig, nach unterschiedlichsten Ergebnissen der letzten Wochen etwas über die Formentwicklung zu sagen. Ein bisschen mehr Konstanz würde für die wichtige zweite Saisonhälfte sicher gut tun. Dasselbe gilt für Mensur Suljovic. Generell waren die Ranglistenturniere in diesem Jahr für den besten deutschsprachigen Spieler geprägt von verpassten Möglichkeiten. So schien er auch gegen James Wade im Achtelfinale beim Stand von 8:5 alles im Griff zu haben, brach dann aber komplett ein und gab das absolut mögliche Weiterkommen aus der Hand. Ein wenig Sorgen macht Suljovic aktuell schon.

Im Gegensatz zu den bisher genannten kann man Peter Wright nicht viel vorwerfen. Seine ersten beiden Matches waren überragend und er baute seine turnierübergreifende Siegesserie auf 20 Spiele aus. Doch dann kam Daryl Gurney und schaffte es, Wright trotz starker Leistung in die Knie zu zwingen. Spätestens nach dem Ausscheiden von van Gerwen stand "Snakebite" für viele ganz oben auf der Liste der Favoriten und auch er selbst tippte sich nach der zweiten Runde bereits ins Finale. Entsprechend wird die Enttäuschung wohl bei ihm am größten sein. Sollte der Schotte aber an das gezeigte anknüpfen, muss es fast für einen großen Erfolg bis Anfang Januar reichen. Dass er sich mit seinen regelmäßigen Materialwechseln eher im Weg steht als hilft, könnte jedoch wieder zu einem Faktor werden.

Noch größer dürfte die Enttäuschung bei Ian White sein. Nachdem er einen so vielversprechenden Start mit einem überzeugenden Whitewash hingelegt hatte, musste "Diamond" nach einer 9:4 Führung gegen Stephen Bunting doch noch als Verlierer die Bühne verlassen. All denjenigen, die meinen, dass White bei TV-Turnieren nicht funktioniert, wurde damit wieder reichlich Nahrung gegeben. Es fällt aktuell auch schwer zu glauben, dass ihm hier tatsächlich noch einmal eine Trendwende gelingt. Einen Dämpfer kassierte zu guter Letzt auch Nathan Aspinall. Trotz eines dreistelligen Averages unterlag er direkt in der ersten Runde Mervyn King, weil die Doppel nicht passten. Ob das seine positive Entwicklung tatsächlich bremsen wird, darf getrost bezweifelt werden.

Was bleibt

Nachdem das Jahr 2019 bislang sehr ausgeglichen verlief, ist der Blick in die Glaskugel vor allem von Ungewissheit geprägt. Bislang gab es 16 verschiedene Turniersieger, außerdem vier verschiedene Titelträger im TV, das spricht Bände. Etwa zehn Namen hat der Autor dieser Zeilen im Kopf, wenn er darüber nachdenkt, wer wohl in den restlichen großen Turnieren triumphieren könnte. Es gab wohl selten eine so aufregendere Zeit im Dartsport, auch wenn die Nummer Eins der Welt alleine rechnerisch noch länger dieselbe bleiben wird. Lasst sie uns genießen!

Foto-Credits: PDC/Lawrence Lustig & Chris Dean

[kb]

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Quelle: dartn.de

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